Rede von Reinhard Stammwitz zu Äußerungen des Bürgermeisters über die AfD NR 634 (Plenarsitzung 27.09.2018)

Herr Vorsteher,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Ich bin schon wieder da. Wir möchten die Verteufelung, …

(Heiterkeit)

… die Verfehlung des Bürgermeisters in der Paulskirche zum Anlass nehmen, …

(Zurufe)

… zur Verteufelung der AfD, einmal hier und heute grundsätzlich Stellung zu nehmen.

(Zurufe)

Nichts eint in unserem Lande links-grün beseelte Menschen mehr als die Lust, überall und jederzeit die braune Gefahr aufzuspüren. Der sogenannte Kampf gegen Rechts wird auf eine, ich zitiere Henryk M. Broder „geradezu wahnhafte Weise betrieben“. Das geht so weit, dass letztlich jede nicht linke Meinung als Rechts gebrandmarkt wird. Rechte sind grundsätzlich Rechtspopulisten und diese wiederum sind natürlich Rassisten, Sexisten, Extremisten oder ganz ohne Umschweife gesprochen Nazis, Synonym auch Faschisten.

(Beifall, Zurufe, Heiterkeit)

Großer Sachverstand oder gar starke Argumente sind zur Überführung sogenannter Faschisten nicht erforderlich. Es reicht aus, moralische Überlegenheit zu demonstrieren und Rechts als Zauber, Schmäh und Schlusswort einzusetzen. Mehr muss man weder sagen, geschweige denn wissen.

(Beifall)

Werte Damen und Herren, wie irre das Ganze ist, haben wir in der Plenarsitzung am 23.08.2018 erlebt. Anstatt übliches AfD‑Bashing wurde zur Abwechslung einmal die FDP mit ins Visier genommen.

(Heiterkeit)

Sie musste sich als rechtsradikalen Propagandamob titulieren lassen. Aber es ist nicht das links-grüne Faschismusblabla, welches mich umtreibt: Gegen ideologische Verblendung kann man bekanntlich wenig ausrichten. Zusätzlich stellt sich die Frage, ob jene Kollegen überhaupt noch diskursfähig sind, die sich lautstark als AfD-Hasser outen, wie unser Möchtegernpolitclown Nico Wehnemann, der wohl gerade nicht anwesend ist.

(Beifall)

Stadtverordnetenvorsteher

Stephan Siegler:

Herr Stammwitz, wir haben uns darauf verständigt, dass wir respektvoll miteinander umgehen. Jemanden als Clown zu titulieren, ist kein respektvoller Umgang miteinander.

(Zurufe)

Ich rüge Sie für diesen Ausdruck.

(Beifall, Zurufe)

Stadtverordneter Reinhard Stammwitz, AfD:

(fortfahrend)

Das Schwingen der Faschismuskeule durch Moralapostel, bornierte links-grüne Ideologen bis hin zu Linksextremisten ist eine Sache. Ganz anders verhält es sich mit den diversen Faschismusvorwürfen von Vertretern der Merkel-CDU. Alles spricht dafür, dass diese sich wider besseres Wissen am AfD‑Bashing beteiligen und deshalb möchten wir mit der CDU reden.

Herr Becker und Herr zu Löwenstein, Sie behaupten beide, die AfD sei in ihrem Kern eine zutiefst faschistische Partei, und Sie geben beide vor, dass sich Ihr Befund auf einer soliden Analyse gründet. Dem möchte ich energisch widersprechen. Maßgeblich für die Einstufung einer Partei ist doch zunächst einmal deren Parteiprogrammatik. Das Grundsatzprogramm der AfD wurde in einem vorbildlich basisdemokratischen Prozess erarbeitet und am 1. Mai 2016 verabschiedet. Wir können davon ausgehen, dass dieses Grundsatzprogramm von Politologen, von den Medien, vom Staatsschutz und von der Konkurrenz gründlichst geprüft wurde. Gleichwohl ist bis heute kein ernst zu nehmender Extremismusbefund bekannt.

(Beifall)

Werter Herr zu Löwenstein, sollten Sie konkret belegen können, dass die AfD abweichend von ihrer gedruckten Programmatik parteipolitisch eine Linie verfolgt, die einen Faschismusvorwurf rechtfertigt, dann trete ich auch gerne, ganz wie von Ihnen seinerzeit empfohlen, aus der AfD aus. Aber zur Erbringung dieses Nachweises muss man sich mehr einfallen lassen, als die Worte und Sprachbilder einzelner Parteimitglieder zu skandalisieren.

(Beifall)

Herr zu Löwenstein, ich beziehe mich auf Ihre ungehaltene Rede laut Website der CDU. Darin sind seitenweise Zitate einzelner AfD‑Politiker aufgeführt, was auf großen Fleiß Ihres Referenten rückschließen lässt. Gleichwohl ist es äußerst unprofessionell, anhand von Einzelmeinungen auf die AfD als Ganzes mit ihren über 30.000 Mitgliedern schließen zu wollen. Hinzu kommt die Art und Weise, wie Sie sich dieser Methode bedienen. Sie gehen äußerst unseriös vor, was ich an vier Punkten festmache. Erstens, es wird bewusst falsch oder völlig aus dem Zusammenhang gerissen zitiert. Ein Beispiel ist die Causa Gauland/Boateng. Hier hatte der Kollege Fuchs zuvor bereits Ihre Fehldeutung entlarvt: Obgleich es Gauland ausschließlich darum ging, auf den latenten Rassismus gerade in der links-grünen Bionade-Boheme hinzuweisen,

(Heiterkeit)

schwadronieren Sie, Herr zu Löwenstein, weiterhin über einen angeblichen Rassismus des Herrn Gauland.

Zweitens wird mit System verschwiegen, dass objektiv anstößige Zitate überwiegend von Personen stammen, die auch in der AfD selbst umstritten sind. Es gibt zahlreiche Ordnungsverfahren, so verlor Poggenburg wegen der Wortwahl „Kameltreiber“ den Fraktions- und Parteivorsitz. Ein Gedeon wurde aus der Fraktion gedrängt.

Drittens kommt hinzu, dass viele äußerst reißerisch, moralisierend dargebotene Zitate nur für bestimmte Menschen anstößig sind. Diese leiden erkennbar unter einer Art von Wirklichkeitsallergie. Anstatt mit Fakten zu operieren und den gesellschaftlichen Istzustand kritisch zu hinterfragen, suhlen Sie sich lieber, teilweise wie berauscht, in der moralisch aufgeladenen links-grünen Begriffs- und Deutungswelt des politisch-medialen Establishments.

(Beifall)

Viertens wird immer wieder suggeriert, dass es einen großen Fundus anstößiger Redebeiträge gäbe. Aber bedenken Sie bitte die gewaltige Anzahl investigativer Journalisten, die weder Zeit noch Kosten scheuen, um die AfD zur Strecke zu bringen. In Relation zu diesem gigantischen Aufwand ist die Ausbeute äußerst bescheiden.

(Beifall)

Herr Becker und Herr zu Löwenstein, ich ziehe ein kleines Fazit. Sie begründen Ihren Faschismusvorwurf mittels der Skandalisierung von Einzelmeinungen, anstatt anhand der Parteiprogrammatik den Nachweis zu erbringen. Dies ist äußerst unprofessionell. Hinzu kommt, wie Sie Ihre unprofessionelle Methode einsetzen, nämlich unseriös. Das Unprofessionelle und das Unseriöse spricht dafür, dass Ihr persönlicher antifaschistischer Widerstand pure Heuchelei ist. Sie wollen die AfD als Neonazis stigmatisieren, mit dem Ziel, potenzielle Wähler abzuschrecken und zugleich vom Versagen der Merkel-Regierung abzulenken.

Wie lange kann man die Fehlleistungen der Merkel-Regierung einfach ausblenden? Wie lange noch kann man dem Wahlbürger vorgaukeln, dass wir ein reiches Land sind, welches gleichzeitig höhere Renten, eine Energiewende, eine Dieselverteufelung, eine Migration in die Sozialsysteme sowie die Rolle des finanziellen Garanten von EU und Euro leisten kann.

(Zurufe)

Noch funktioniert die Desinformation, die Manipulation und die Ausgrenzung der AfD durch die Altparteien und die unterstützenden Medien, allen voran die halbstaatlichen ARD und ZDF. Aber die AfD ist der Stachel im Fleisch dieses polit-medialen Komplexes, der um den Verlust seiner Deutungshoheit fürchtet und seit Chemnitz von einer geradezu hysterischen paranoiden Endzeitstimmung erfasst zu sein scheint.

(Beifall, Zurufe)

Früher hieß es, Merkels Politik sei alternativlos. Deswegen ist die AfD entstanden. Das Resultat ist eine erfolgreiche AfD. Akut suggeriert der polit-mediale Komplex: Jeder, der gegen Merkels Flüchtlingspolitik ist, ist ein Nazi. Und: Es gibt nur die Wahl zwischen Multikulti und Faschismus.

Herr Becker, ich erinnere an Ihre gelungene Ansprache zur Mäßigung von Herrn Zieran. Sie hatten den Kollegen zu Recht darauf hingewiesen, dass seine maßlose Faschismusrhetorik jegliche Geschichtskenntnis vermissen lässt und dass er damit eine unerträgliche Verhöhnung der damaligen Millionen Faschismusopfer betreibt.

(Beifall)

Herr Becker und Herr zu Löwenstein, was halten Sie eigentlich davon, diese zutreffende Erkenntnis selbst zu beherzigen und künftig auf die ohnehin hohle Faschismuskeule zu verzichten!?

Zu guter Letzt noch einen Appell an alle Kollegen, die so gerne AfD-Bashing betreiben: Angeregt durch Wolfgang Streeck, wahrhaftig kein Fan der AfD, sondern ein Linksintellektueller, bitte ich Sie: Hören Sie auf, die wichtigste moralische Ressource des Landes, das Erschrecken vor seinen historischen Verbrechen ebenso bedenkenlos wie letztlich erfolglos zum Zwecke politischer Machterhaltung einzusetzen.

(Zurufe)

Zeigen Sie Einsicht. Sie sind dabei, diese Ressource um den Preis einer Trivialisierung von Faschismus und Rassismus zu verbrauchen.

Danke fürs Zuhören!

(Beifall)