Rede des Stadtverordneten Reinhard Stammwitz zum Anregung der KAV  K 90 zu Freiwilliger Verzicht auf AfD(-Mandate) 

Herr Vorsteher,

meine sehr verehrten Damen und Herren!

 

Die Vorlage K 90 und das, was wir gerade dazu gehört haben, ist für uns Kabarett. Das ist auch der Grund, warum wir zu dieser Vorlage K 90 kein Votum abgegeben haben. Gleichwohl bedanken wir uns dennoch herzlich bei denen, die uns da provozieren wollen, dafür, dass sie uns die Gelegenheit geben, hier und heute zur Vorlage K 90, also zu der angeregten Selbstauflösung der AfD, sprechen zu dürfen.

Die AfD erfreut sich bekanntlich bester Prognosen und wird demnächst in die letzten zwei Landtage einziehen. Wegen der AfD‑Erfolge müssen Funktionsträger in den etablierten Parteien, aber nicht nur dort, fürchten, Einfluss und Pfründe zu verlieren. Kein Wunder, dass da der eine oder andere von Wunschträumen übermannt wird. So träumt zum Beispiel die KAV von der freiwilligen Auflösung der Römerfraktion und ich bin sicher, andere träumen vermutlich davon, dass sich die AfD zur Gänze aus dem Politikbetrieb zurückzieht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Sie beruhigen, so etwas wird es mit der AfD nicht geben, und zwar aus drei Gründen, die ich darlegen und ausführlich erläutern möchte.

Erstens, die AfD wird sich nicht auflösen, weil sie nicht gedenkt, ihre Wähler zu betrügen. Im Falle der Römerfraktion und im Falle der Bundestagsfraktion würde eine Fraktionsauflösung 17.000 beziehungsweise sechs Millionen Wähler tangieren. Alle würden im Nachhinein um ihr Votum gebracht, Wahlen würden so zur Farce. Nein, mit der AfD wird es einen derartigen Betrug am Wähler nicht geben. Was aber soll man von denjenigen halten, die so etwas denken, so etwas träumen und sogar öffentlich anregen? Haben diese unsere parlamentarische Demokratie nicht verstanden oder aber rufen diese wissentlich zum Betrug am Wähler auf? Die Antworten überlasse ich ihnen.

Nun zum zweiten Punkt: Die AfD wird sich nicht auflösen, weil dies erneut Millionen Wähler heimatlos machen würde. Vor der Ära Merkel war in Deutschland die Parteiengesellschaft noch halbwegs mit Alternativen gesättigt. Jetzt am Ende der Ära Merkel sind die etablierten Parteien nahezu ununterscheidbar. Wie kam es hierzu? Aus reinem Machtkalkül hat Merkel bekanntlich anderen Parteien ihre Kernthemen gestohlen und die CSU nach ihrer Fasson und Methode in die linke Mitte gerückt. Dabei hat Merkel bewusst in Kauf genommen, Wähler zu verprellen, die mit links-grüner Ideologie- und Moralpolitik nicht einverstanden sind. Ohne Skrupel hat Merkel, salopp formuliert, beispielsweise folgende Politikangebote schlichtweg aus dem Sortiment genommen:

Bewahrung der Nationalstaatlichkeit in einer zu reformierenden EU,

kein Aus- und Umbau der Währungsunion in eine Transfer- und Haftungsunion, Energiewende ohne kostentreibende Hektik,

Beendigung der ungeregelten Zuwanderung,

Ablehnung der massenhaften Zuwanderung Kulturfremder, meist unqualifizierter Menschen,

Fokussierung der Sozialpolitik auf die eigenen Landsleute, anstatt grenzenlose Öffnung des Deutschen Sozialstaates, was wir ja heute hier auch ausgiebig diskutiert haben.

Wie ist die Hybris der Merkel-CDU zu erklären? Wie konnte Merkel glauben, folgenlos rechts von der linken Mitte im Parteienspektrum eine Leere auftun zu können, welche Millionen Wähler heimatlos macht? Oder anders formuliert: Wie konnte die Merkel-CDU glauben, dass die AfD diese Lücke nicht besetzen und damit erfolgreich in die Parlamente einziehen würde?

(Beifall)

Die Antwort: Man hat auf folgende Strategie vertraut. Erstens, kollektives Tabuisieren und Wegmoralisieren der von der AfD thematisierten Schicksalsfragen. Zweitens, kollektive Diskursverweigerung und zugleich konzertierte bösartige Diskreditierung der AfD. Warum ist diese Dreipunktestrategie zur Verhinderung der AfD gescheitert? Die Antwort ist leicht zu geben. Erstens, immer mehr Wähler erkennen, dass die Schicksalsfragen mit links-grüner Ideologie und Moralpolitik nicht zu meistern sind. Zweitens, die Wirkungsmacht der zur AfD-Verteufelung halluzinierten Wiederkehr eines Faschismus hat sich verbraucht. Ebenso der inflationäre Gebrauch linker Kampfbegriffe, deren Inhaltsleere immer mehr Bürgern schlichtweg auf den Geist geht. In der Rassismus Debatte im Falle Özil kam dies deutlich zutage.

Die Diskreditierungskampagne ist gescheitert. Gleichwohl bleibt die Frage: Wie ist der kometenhafte Aufstieg der AfD zu erklären? Das SPD-Urgestein Heinz Buschkowsky empfindet die programmatische Positionierung der AfD vor allem in der Flüchtlingsfrage als derart erfrischend, dass er ihr im nächsten Bundestag sogar 25 Prozent zutraut.

(Beifall)

Offensichtlich stößt der neue Wettbewerber mit seinen Politikangeboten auf große Nachfrage. Zugleich geben sich die etablierten Parteien große Mühe, ihre Wähler zu verprellen. Heinz Buschkowsky bescheinigt vor allem der SPD, aber auch der nunmehr linken CDU, ich zitiere: „sich in weiten Teilen von der Lebenswirklichkeit, den Sorgen und Nöten der Menschen völlig entfernt zu haben.“ Aus alldem ziehe ich ein Fazit. Ein neuer Wettbewerber, mit neuen und verbesserten Produkten, ist bekanntlich gut für den Verbraucher. Auf die Politik übertragen, lässt sich feststellen, dass es erst seit dem Markteintritt der AfD im Politikgeschäft wieder einen echten Wettbewerb gibt.

Würde sich die AfD freiwillig zurückziehen, dann wäre dies ein Rückfall in die Mangelwirtschaft der Konsensparteien. Millionen Wähler, die dem programmatischen Einheitsbrei der Konsensparteien überdrüssig sind, wären erneut heimatlos. Aber ich kann Sie beruhigen, dies wird nicht geschehen. Die AfD bleibt unserer Parteiendemokratie erhalten. Wahre Demokraten wissen, auch wenn sie für andere Positionen stehen, die damit verbundene Revitalisierung unserer Parteiendemokratie zu schätzen.

Nun zum dritten Grund, die AfD am Leben zu halten.

(Zurufe)

Sie müssen noch ein bisschen Geduld haben. Die AfD hat einen Auftrag und diesen wird sie weiterhin erfüllen. Wie begreift die AfD ihren Auftrag? Wir haben so viel Unsinn heute gehört, da können Sie sich auch einmal etwas Kluges anhören. Auf den Punkt gebracht, der Auftrag der AfD deckt sich mit dem, was Regierungsmitglieder in ihrem Amtseid gemäß Artikel 56 des Grundgesetzes schwören. Leitbild für die AfD ist weiterhin das deutsche Volk – und das hat nichts mit völkisch zu tun -, dessen Nutzen zu mehren und von dem Schaden abzuwenden ist.

Betrachtet man die Schadensbilanz der Regierungen unter Merkel, dann sind Zweifel erlaubt, ob den etablierten Parteien in der Regierung, aber auch in der Opposition, der Kompass im Sinne des Amtseids abhandengekommen ist. Die Gesellschaft muss für die Tatsachen- und Problemblindheit der Merkel-Regierungen einen Preis bezahlen. Einen hohen Preis. Wie hoch ist dieser Preis? In der August-Ausgabe des Cicero finden Sie einen Artikel, der die historisch einmalige Wohlstandsvernichtung durch die Regierungen unter Angela Merkel behandelt. Daniel Stelter, promovierter Ökonom und früherer Topmanager bei Boston Consulting, veranschlagt die von den Merkel-Regierungen in den zurückliegenden 13 Jahren zusätzlich geschaffenen Lasten insgesamt auf 3,7 bis 4,7 Billionen Euro.

Die größten Lasten resultieren aus Fehlentscheidungen in den Bereichen der Europolitik, nämlich mit ein bis zwei Billionen Euro, der Energiepolitik mit einer halben bis einer Billion Euro und der Zuwanderungspolitik mit 0,9 bis 1,5 Billionen Euro. Diese Kosten kommen on Top auf ohnehin vorhandene Lasten, die vor allem aus der Alterung der Gesellschaft resultieren. Und für die keine Regierung der letzten 40 Jahre Vorsorge getroffen hat. Das lässt mich zu einem Gesamtfazit kommen.

„Wir sind nicht das Land,“ – ich zitiere Stelter – „welches sich gleichzeitig höhere Renten, eine Energiewende, Migration in die Sozialsysteme sowie die Rolle des finanziellen Garanten von Euro und EU leisten kann.“ Die Tatsachen- und Problemblindheit muss endlich ein Ende haben. Es bedarf dringlich eines grundlegenden Politikwechsels. Die AfD steht für einen solchen Wechsel. Weg von links-grüner Moralpolitik und merkelscher Sturheit und hin zu einer vernünftigen Realpolitik, orientiert an nationalen Interessen und natürlich ohne Rückfall in Nationalismus. Hierfür wird sich die AfD mit voller Kraft einsetzen und sich keineswegs selbst auflösen.

Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:

Herr Stammwitz, Ihre Redezeit ist zu Ende.

(Beifall, Zurufe)

Stadtverordneter Reinhard Stammwitz, AfD:

(fortfahrend)

Ich komme zum Ende. Dies schulden wir unseren Kindern und Kindeskindern.

Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:

Herr Stammwitz, ich habe Ihnen das Mikrofon abgestellt, weil hier jeder gleich behandelt wird.